Matti garlichs und Ludwig gewinnen die Indoor-Vielseitigkeit. (Foto: Stefan Lafrentz)

(Neumünster) Turnierauftakt in den Holstenhallen ist, wenn Ponys die Halle erobern, verkleidete Menschen mit phantasievoll “dekorierten” Ponys und Pferden “backstage” herumwuseln und irgendwann ganz außergewöhnliche Hindernisse aus Holz und Büschen in die Halle gefahren werden. Der erste Tag der VR Classics gehört weitgehend dem Norden Deutschlands. Das beginnt schon mit dem ersten vollständigen Championat der Pferdestadt Neumünster. Das gewann ein 12-jähriger Ponyreiter vom RuFV Südtondern Leck – Jestus Thomsen. Das Jungtalent kommt aus einer pferdesportversessenen Familie.

Justus gewann mit der Reitponystute Emilia und der Note 9,0 die Ponystilspringprüfung Kl. A**. Das Championat machte – nicht zu ersten Mal – deutlich, dass das Reitturnier eine Plattform für ganze Reitsportgenerationen ist. Wo Väter und Mütter schon Schleifen, Preise und Erfahrungen sammelten, ist inzwischen die nächste Generation am Start.  Vater Peter Jakob Thomsen ist Profi im Sattel und auch die acht Jahre alte Ponystute Emilia kommt aus Schleswig-Holstein. Wie das manchmal so ist im “Pferdeland zwischen den Meeren” finden sich quer durch den Norden die richtigen Kombinationen. Emilia stammt aus der Zucht von Dirk Ahlmann (Reher), hat mit dem Ponyhengst Del Piero eine echte Berühmtheit zum Vater und wurde von der Besitzergemeinschaft Ahlmann und Krüger dem jüngsten Sohn der Familie Thomsen anvertraut. Die Reihe der “familiär” geprägten Championatsreiterinnen und -reiter ließe sich beliebig fortsetzen, etwa mit Philine Gröpper (Oldendorf), die mit Nashville Tennessee Dritte wurde und deren Vater Claas Christoph Gröpper Pferde ausbildet und in den Sport bringt. Karla Köhlbrandt (Fehmarn), Tochter von Hinnerk Köhlbrandt war beim Championat dabei oder auch Emil Meves (Nutteln), Sohn des einstigen Landesmeisters Jan Meves…

Championatssieg, das muss Peter Jakob Thomsen dem Junior an diesem Wochenende in Neumünster erstmal nachmachen, allerdings wird es für die Reiter/ Senioren in den Holstenhallen doch deutlich höher, weiter und breiter. 

Vier Mal schönes “Vereinskino”

Der Schauwettkampf der RuFV Schleswig-Holsteins ist grundsätzlich der erste Zuschauermagnet bei den VR Classics. Zu verlockend und so unterhaltsam ist diese Spezialität, die ihre 29. Auflage feierte. Das es vier Vereine waren, die in den Holstenhallen mit jeweils 6,5-minütigen Schaubildern verzauberten liegt an der Begeisterungsfähigkeit der Reitvereine. Zwei kurzfristige Absagen sorgten zwischenzeitlich für Sorgenfalten bei den Organisatoren, dafür sprangen indes Nachrücker ein. Kennzeichnend in diesem Jahr: alle Bilder waren noch deutlicher vom Thema Reiten und auch Fahren geprägt und nicht ganz so intensiv von aufwändig und kunstvoll gebauten Kulissen. Zu Ehren kamen jede Menge Lichterketten, durchaus pferdegerecht an Zäumungen angebracht und die Kostümierungen ließen Karneval in Köln teilweise blaß aussehen.

Das kam alles durchaus gut an, denn das Thema Pferd steht ja im Mittelpunkt. Das Siegerschaubild bot dem begeisterten Publikum “zirkusreife An- und Aussichten”. Der Ponyhof Johannsen, zuhause im Flecken Katenstedt bei Warder zog dafür kostümtechnisch und akrobatisch alle Register und knüpfte für das Gesamtbild gleich mehrere Kooperation. Zirkuschefin Claudia Stroth:  “Also man kennt sich ja untereinander und dann telefoniert man mal und fragt, ob die mitmachen würden und dann geht es los”. Stroth und ihre engste Mitstreiterin Anne Tiedtke ließen Telefondrähte glühen, z.B. zum Fahrer und Kaltblutfan Sven Vogt, der seinem von zwei Kaltblütern gezogenen Wagen einen Spezialaufbau mit fest montierten Voltigierholzbock verpaßte. Auf dem turnten die Voltigiererinnen des Reitvereins Breitenburg ganz unbefangen und elegant in vielen Metern Höhe. “Irgendwo” aus der Region bei Warder zauberten die Ponyhof-Miglieder auch einen jungen Motocross-Spezialisten hervor, der samt Maschine über ein Hindernis flog. Kinder, Erwachsene, Hunde, Ponys, Pferde traten in drei einzelnen Zirkusbildern an. Geübt wurde nie mit allen zusammen – ineinander fügte sich das Gesamtbild erst vor Ort. Ausgedacht haben sich Stroht und Tiedtke das Bild – an Abenden auf dem Sofa bei Pizza und Getränken. Den Preis des Publikumslieblings gewannen die “Rivalen der Rennbehn” – flott gestaltet und kurzweilig umgesetzt von den fahrsportfreunden SH/HH, die zum ersten Mal dabei waren.

“Ludwig ist mein bester Freund…”

Den Sieg bei der Indoor-Vielseitigkeit in den Holstenhallen trug nicht die Mannschafts-Olympiasiegerin, Welt- und Europameister Ingrid Klimke aus Münster davon, auch nicht der Team-Europameister der Junioren Matthies Rüder (Fehmarn) oder Rebecca-Juana Gerken (Husberg), die 2019 bereits gewann. Den Sieg holte sich ein 17-jähriger Reiter, der “Premiere” in Neumünster feierte: Matti Garlichs aus Luhmühlen mit seinem 12 Jahre alten Westfalen-Wallach Ludwig. Satte zwei Sekunden schneller war das Duo, als Ingrid Klimke mit Cascamara, die erstmals eine Indoor-Vielseitigkeit ging.

Ludwig und sein Reiter, der bis 2022 in Eckernförde zuhause war, kennen sich seit fünf Jahren. Da vermittelte Elmar Lesch den Wallach aus der Zucht von Anne Meyer an das aufstrebende Jungtalent. “Wir haben uns viel Zeit genommen zusammen zu wachsen”, sagt Matti Garlichs, “und ich weiß ich kann mich total auf ihn verlassen und er sich auch auf mich. Ludwig ist wirklich mein bester Freund.” Mit leuchtenden Augen erzählt der 17-jährige, der 2023 mit der deutschen Junioren-Equipe EM-Gold gewann, von Ludwig – der eine ziemlich “coole Socke” ist – und den Saisonplänen. Beide wollen und sollen ihre erste große internationale Vielseitigkeit absolvieren –  wenn alles läuft wie gewünscht in Strzegom, dem europäischen Vielseitigkeits-Mekka in Polen. Zuvor steht auch Luhmühlen auf dem Programm, dort wo beide seit zwei Jahren zuhause sind. Da kam es auch passend, dass Matti vom ehemaligen Landestrainer SH, Detlef Peper, gefragt wurde, ob er in Neumünster dabei sein wolle. Früher habe er immer zugeguckt und mit dem Gedanken geliebäugelt, auch mal die Indoor-Vielseitigkeit zu reiten.

Erwartungsgemäß ungewöhnlich sah der “Busch-Parcours” aus mit Hindernissen in üppiger Zahl, vielen Richtungswechseln und eigens für “drinnen” geeigneten Hindernissen, einiges geradezu “türschmal”. Präzises Anreiten war also unabdingbar.

“Insulanerinnen” rocken die Sievers Team-Trophy

Eine Art Vorreiter-Rolle hat Schleswig-Holstein schon mit dem Jugend-Team-Cup gespielt, dem Mannschaftsformat für Junioren und Junge Reiter über mehrere Stationen. Die Reitsport Sievers Team-Trophy knüpft an die Idee an, setzt aber noch früher an. Teams mit je vier Reitern/ Reiterinnen und ihren Pferde und Ponys haben bei mehreren Turnieren die Chance, Punkte zu sammeln und die besten fünf Teams treffen dann im Finale aufeinander. Das fand bei den VR Classics statt und endete mit dem Sieg des hochfavorisierten Fehmarnschen RRV, Karla Köhlbrandt/ Stroller, Paula Marie Langhans/ Blind Date, Julie Czwalina/Costino und Henrike Amelie Mouglin rundeten damit ihre erfolgreiche Teamsaison ab. Al führendes Quartett in der Trophy-Rangliste waren die jungen damen bereits in neumünster angereist mit prominenter Teamchefin. Inga Czwalina, Fehmarns Erfolgsreiterin, wechselte dafür – nicht zum ersten Mal – aus dem Sattel in die Funktion einer Trainerin. Auf dem zweiten Platz glänzte die RSG Groß Buchwald und Platz drei ging an den RuFV Husberg u.U. vor den Toren Neumünsters. Übrigens kann man Team-Trophy-Absolventinnen immer leicht an ihren Pferdedecken erkennen. Derart leuchtende Farben dürfe es kaum noch einmal geben….

Bild mit freundlicher Genehmigung von Stefan Lafrentz

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