FN-Tierschutztag: Woran erkennt man ein zufriedenes Pferd? – Wissen rund ums Pferd als Schlüssel

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Ein zufriedenes Pferd liegt Pferdesportlern und Pferdebesitzern gleichermaßen am Herzen. Rund 200 Ausbilder, Trainer und Richter befassten sich im Rahmen des „FN-Tierschutztages“ in Warendorf daher mit dem Thema „Das zufriedene Pferd – Ausdrucksverhalten richtig deuten“. „Ziel der Veranstaltung war es, die Erkenntnisse der Wissenschaft vorzustellen beziehungsweise aufzufrischen und in die Praxis zu übertragen“, erklärt Thies Kaspareit, Leiter der Abteilung Ausbildung der Deutschen Reiterlichen Vereinigung (FN). „Bewusst haben wir bei dieser Veranstaltung nicht Negativbeispiele in den Vordergrund gestellt, sondern wollten den Fokus auf das zufriedene Pferd lenken und woran man es erkennt. Wir stellen immer wieder fest, dass hier Wissenschaft und Praxis noch mehr aufeinander zugehen und bereit sein sollten, voneinander zu lernen.“

Zum Auftakt der Veranstaltung schilderte Dr. Margit Zeitler-Feicht, seit rund 40 Jahren im Bereich Pferdeverhalten, -haltung und Tierschutz an der TU München wissenschaftlich tätig, wie sich Empfindungen beim Pferd erfassen lassen und ihr Ausdrucksverhalten richtig gedeutet wird. Auch wenn sich Empfindungen wie Schmerz, Leiden oder Angst nicht per se nachweisen lassen, gilt es doch als wissenschaftlich erwiesen, dass Tiere ähnliche Symptome zeigen wie der Mensch. „Trotz dieser Analogie sollte man sich jedoch davor hüten, menschliche Bedürfnisse auf die Bedürfnisse von Tieren zu übertragen“, sagte Dr. Zeitler-Feicht. Diese seien beim Menschen als ehemaligem Höhlenbewohner anders als beim Flucht- und Steppentier Pferd. Anders ist auch das Ausdrucksverhalten von beiden. Während der Mensch beispielweise akustische Signale, wie das Jammern oder Weinen eines Kindes, leicht interpretieren kann, fällt ihm dies beim Pferd schwerer. Als Fluchttiere haben Pferde keinen Schmerzenslaut („möglicherweise um sich in freier Wildbahn nicht als leichte Beute zu outen“). Empfindungen von Pferden lassen sich vor allem durch ihr optisches Ausdrucksverhalten erkennen. Dabei sind zwei Stressbewältigungstypen zu beobachten. Der proaktive Coping-Typ ist schneller erregbar und reagiert mit erhöhter Aggressivität und Arbeitsverweigerung, sein Ausdrucksverhalten ist deutlich. Der reaktive Coping-Typ hingegen zeichnet sich durch eine hohe Anspannung aus, sein Ausdrucksverhalten ist jedoch schwerer zu interpretieren. Er reagiert auf Stress eher mit Angstverhalten und Zeichen erlernter Hilflosigkeit. Das „zufriedene“ Pferd hingegen zeigt unter dem Reiter dagegen keine oder wenig Verhaltensauffälligkeiten oder Abwehrverhalten. Sein Schweif pendelt locker mit der Bewegung, es zeigt leichtes Ohrenspiel, wobei die Ohren vorwiegend nach vorne orientiert sind. Seine Gesichtsmuskulatur ist überwiegend entspannt, sein Maul geschlossen und die Lippen entspannt, die Augen sind offen. 

Unterstützung erhielt Dr. Zeitler-Feicht durch Reitmeister Martin Plewa. Sein wiederkehrender Appell an alle Pferdeleute lautet, Verständnis für die Natur des Pferdes zu entwickeln, ohne das Pferd zu vermenschlichen („Wir müssen uns verpferdlichen!“). Der ehemalige Bundestrainer und Leiter der Westfälischen Reit- und Fahrschule referierte zur „Umsetzung der Richtlinien in pferdegerechte Ausbildung“. Damit dies gelingt, sind für ihn Kenntnisse der natürlichen Verhaltensweise des Pferdes, seiner Anatomie, Physiologie und Biomechanik seiner Wahrnehmung und seines Lern- und Ausdrucksverhaltens zwingende Voraussetzung. Plewa erläuterte weiter, wie auf diesem Grundwissen die Skala der Ausbildung aufbaut. Aber auch, was gelegentlich fehlinterpretiert wird. „Die Empfehlung, das Pferd „tief einzustellen“ oder es „vorwärts-abwärts“ zu reiten, findet man nicht in den Richtlinien“, sagte Plewa und erklärte dies mit der Anatomie des Pferdes. Der Rücken des Pferdes gleicht in seiner Konstruktion einer Hängebrücke, die durch das gute Untertreten der Hinterhand unter den Schwerpunkt auf der einen Seite und den nach vorne gedehnten Hals auf der anderen aufgespannt und damit tragfähig wird. Nur vorne tief oder gar tief und eng reicht nicht, ist sogar kontraproduktiv. Plewa machte sich aber nicht nur gegen Rollkur, sondern auch die absolute Aufrichtung stark und erinnerte daran, dass das Maul des Pferdes als „Heiligtum“ anzusehen sei. Macht der Reiter alles richtig, holt sich das Pferd die Zügelhilfe quasi selbst ab. „Das Gebiss ist notwendig, da sich nur damit Anlehnung erzielen lässt. Aber die Hand ist nur zum Erfühlen da, nicht zum Beizäumen“, erinnerte er.

Mit dieser Aufforderung leitete Plewa zum Vortrag von Dr. Henrike Lagershausen über, deren Thema „Schlaglicht Pferdemaul“ sich mit Befunden am Pferdemaul sowie ihren Ursachen auseinandersetzte. Die Leiterin der FN-Abteilung Veterinärmedizin & Tierschutz brachte die Teilnehmer mit verschiedenen Bildern von Verletzungen am und im Pferdemaul ins Grübeln. Die gute Nachricht. Bei über 33.000 Pferdekontrollen auf über 2.121 Turnieren im vergangenen Jahr gab es bei weniger als einem Prozent der Pferde Beanstandungen. Fast die Hälfte der erhobenen Befunde betrafen jedoch das Pferdemaul. „Das Pferdemaul ist ein Hotspot, da müssen wir genau hinsehen!“ so Lagershausen. Gleichzeitig stellte Lagershausen die wissenschaftliche Auswertung von rund 750 im Rahmen von Routine-Zahnkontrollen untersuchten Reitpferden aller Art vor, von denen rund 13 Prozent höchst bedenkliche Befunde ergeben hatten. Angesichts dessen plädierte die FN-Chefveterinärin dafür, gelegentlich verharmlostes Blut am Maul – „Der hat sich auf die Zunge gebissen“ – nicht auf die leichte Schulter zu nehmen. Vielmehr sollte man nicht nur regelmäßige Zahnkontrollen durch einen Tierarzt vornehmen lassen, sondern auch selbst immer wieder das Maul im Bereich der Gebisslage kontrollieren, um Maulverletzungen vorzubeugen. Mit einem, wenn auch nicht von ihr selbst stammenden, Wortspiel – „The most universal bit is a bit of knowledge“ – schloss sie den Kreis zu ihren beiden Vorrednern, dass das Wissen um das Pferd der beste Weg zum Tierschutz ist. 

Im zweiten Teil des Tages ging es darum, die theoretischen Erkenntnisse über das Ausdrucksverhalten von Pferden in die Praxis umzusetzen. Hans-Heinrich Meyer zu Strohen, Bundestrainer der U18- und U21-Dressurreiter, stellte in einer Praxiseinheit Reiter und Pferde auf unterschiedlichem Ausbildungsstand und mit individuellen Problemstellungen vor. Die Pferde zeigte unter ihren Reitern viel Positives, aber auch kleinere Auffälligkeiten. Dazu gab der Bundestrainer seine Einschätzung ab, ebenso wie Joachim Geilfus, Geschäftsführer der Deutschen Richtervereinigung (DRV), der DRV-Vorsitzende Dr. Carsten Munk und dessen Stellvertreter Reinhard Richenhagen. Dr. Margit Zeitler-Feicht und Martin Plewa, die Redner des Vormittags, machten dazu ebenfalls ihre Anmerkungen. Die Experten waren sich nicht in allen Punkten einig, in einer Sache allerdings schon: Es ist immer das Pferd im Ganzen zu beobachten – vom Ohrenspiel, über den Gesichtsausdruck, Bewegung und Schwingen der Muskulatur, Balance, seine Entwicklung in der Lösungs- und Arbeitsphase bis hin zu Haltung und Dynamik. Ein besonders eindrucksvolles Beispiel lieferten dann Thies Kaspareit, Leiter der FN-Abteilung Ausbildung, und Sportsoldat Sönke Fallenberg mit einem neunjährigen Schimmelwallach, dessen Ausdrucksverhalten gut erkennbar war und sich im Laufe der Trainingseinheit immer mehr zum Positiven entwickelte. Durch das ruhige Treiben an die Reiterhand und eine feine Einwirkung des Reiters verbesserten sich sowohl die Anlehnung als auch die Zufriedenheit des Schimmels zusehends – auch beim Überwinden von Hindernissen.

„Es war eine gelungene Veranstaltung, die allerdings auch gezeigt hat, dass es weiterhin Diskussions- und Schulungsbedarf gibt“, zog Kaspareit ein Fazit. Er schloss die Veranstaltung mit einem wichtigen Appell. „Ich möchte dafür plädieren, auf der einen Seite an sich zu arbeiten und zu akzeptieren, dass nicht immer alles perfekt geht. Perfekte Pferde und Reiter gibt es nicht. Auf der anderen Seite sollten wir uns alle gegen die Dinge zur Wehr setzen, die mit unserer Vorstellung der Reitlehre nichts zu tun haben. Da müssen wir als Pferdesportler, als Trainer und Richter selbst aufräumen, wo es noch notwendig ist.“ fn-press/Hb

Mehr zum Thema findet sich auch im Kriterienkatalog Vorbereitungsplatz

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