Wie gewinnt man das Finale des FEI Dressage World Cup™?

FEI Dressage World Cup™ Finale 2024 in Riad Foto: FEI/ Leanjo de Koster
FEI Dressage World Cup™ Finale 2024 in Riad Foto: FEI/ Leanjo de Koster

„Jede gute Kür muss mit einem Wow-Effekt beginnen.“ In wenigen Tagen beginnt in Riad das FEI Dressage World Cup™ Finale. Die internationale Fünf-Sterne-Richterin Katrina Wüst gilt als absolute Kürspezialistin. Wüst hat zahlreiche Kür analysiert, gibt Richterfortbildungen zum Thema Kür und saß selbst fünfmal bei einem FEI Dressage World Cup™ Finale am Richtertisch. Und sie war es, die gemeinsam mit dem IT-Experten Daniel Göhlen das System zur Erfassung des Schwierigkeitsgrades (DoD) einer Kür entwickelte.

Was ist wichtig für eine Weltklasse-Kür? Wie muss die Kür aussehen, wenn man das Finale des FEI Dressage World Cup™ gewinnen möchte?
Antworten von Katrina Wüst:

Was ist für Sie das Wichtigste bei der Beurteilung einer Kür im Finale des FEI Dressage World Cup™?
Katrina Wüst: Das Wichtigste beim Richten – von der untersten Klasse bis hin zur Weltcup-Kür – ist generell, dass Pferd und Reiter in einer großen Harmonie agieren. Man muss das Gefühl haben, dass die Pferde ihren „Job“ gerne machen.

Beginnen wir mit den Grundlagen der Freestyle-Wertung. Wie sehen diese Grundlagen aus?
Katrina Wüst: Jede Kür wird mit einer technischen und einer künstlerischen Note bewertet. Bei der technischen Note wird die Kür Bewegung für Bewegung bewertet, gleichzeitig muss der Richter aber auch auf die künstlerische Qualität der Kür achten. Seine Wertung drückt er in der künstlerischen Note aus, die aus fünf Teilnoten besteht: Rhythmus, Energie und Elastizität, Harmonie zwischen Reiter und Pferd, Choreographie, Schwierigkeitsgrad und Musik.
Die ersten beiden Komponenten Rhythmus und Harmonie spiegeln mehr oder weniger wider, wie die einzelnen Lektionen als solche benotet wurden. Das heißt, die künstlerische Note ist keine rein künstlerische Note, sondern immer noch zu 40 Prozent technisch, wobei die erste Teilnote für Rhythmus, Energie und Elastizität etwas außen vor bleibt: Hier werden die Reinheit der Gangarten und der Schwung bewertet, und es geht mehr oder weniger um die Qualität des Pferdes. Zeigt ein Pferd mit hervorragenden Gangarten eine sehr fehlerhafte Kür, muss es hier trotzdem eine gute Note für seine Qualität erhalten. Und umgekehrt kann ein weniger talentiertes Pferd mit einer schwierigen und gelungenen Kür erfolgreich punkten.
Die Harmonienote ist für mich eine zentrale Note bei der Beurteilung der Kür. Sie spiegelt 1. die Ausbildung des Pferdes nach der klassischen Ausbildungsskala, 2. die Fehlerfreiheit der Darbietung und 3. den Einfluss des Reiters wider. Macht ein Pferd in seiner Kür viele Fehler, dann stimmt meist die Choreographie nicht. Zudem war der Schwierigkeitsgrad zu hoch und dann passt oft auch die Musik nicht mehr. Dadurch fließt diese Note auch in die drei folgenden künstlerischen Noten ein.

Worum geht es in den drei künstlerischen Partituren genau?
Katrina Wüst: Zunächst einmal die Choreographie, die eine rein künstlerische Wertung darstellt. Künstlerisch heißt allerdings nicht, dass es auf den persönlichen Geschmack des Richters ankommt. Vielmehr kommt es darauf an, ob der Reiter sein Pferd besonders vorteilhaft präsentiert, also Highlights seines Pferdes hervorheben und eventuelle Schwächen kaschieren kann. Daran zeigt sich, inwiefern der Reiter sein Pferd ehrlich analysiert hat und sein eigenes Können und das seines Pferdes einschätzen kann. Ein Beispiel: Wenn ein Pferd dazu neigt, in der Traversale besonders stark nach einer Seite zu gehen, dann kann es geschickt sein, die Traversale von hinten zu zeigen.
Doch damit nicht genug: Beginnt der Reiter die Kür mit einem Wow-Effekt, sodass Richter und Zuschauer von Anfang an beeindruckt sind? Gibt es am Ende noch ein Highlight? Von der Dramaturgie her kann man Küren mit einem Theaterstück oder einem guten Buch vergleichen. Wenn ein Buch langweilig anfängt, möchte man nicht weiterlesen. Genauso ist es mit einer Kür, sie muss mit einem Paukenschlag beginnen. Wir Richter schauen, ob die Kür einen positiven Spannungsbogen hat, aber auch, ob sie uns mit Kreativität überzeugt oder ob alles nur nach den bekannten Mustern der Standardaufgaben gezeigt wird. Spanier zeigen zum Beispiel oft eine Kombination aus Galopp-Traversale, Piaffe und zurück in die Galopp-Traversale auf die andere Seite – das ist unerwartet und spannend.

Kommen wir zum vierten Punkt, dem Schwierigkeitsgrad. Das kann man kaum als rein künstlerisch beschreiben, nicht wahr?
Katrina Wüst: Nein, das stimmt, es ist eine halbtechnische Note, deshalb konnten wir vor einigen Jahren das System entwickeln, das den Schwierigkeitsgrad, kurz DoD, misst. Der DoD ist ganz klar abhängig von der Qualität der Ausführung. Zeigt ein Reiter eine schwierige Lektion und diese klappt nicht mindestens für eine Note 7, dann kann und darf der Richter diese Lektion nicht positiv in die DoD-Note einfließen lassen.

Was gilt alles als schwierige Bewegung?
Katrina Wüst: Es gibt eigentlich nur drei Lektionen: die Piaffe-Pirouette, die Passage-Traversale und die Doppelpirouette. Dazu kommen 2. schwierige Übergänge, wie zum Beispiel vom Halt in die Passage, und 3. schwierige Kombinationen wie Galopp-Traversale, Pirouette und von dort in die Galoppwechsel. 4. es werden einige Lektionen auf schwierigen Linien gezeigt, wie zum Beispiel Galoppwechsel auf der Zirkellinie, und 5. schließlich sind auch Wiederholungen eingebaut. Das heißt nicht, dass der Reiter alle Lektionen wiederholen muss, aber die Kernlektionen wie Piaffe, Passage und Übergänge sollten eingebaut sein.

Es fehlt noch die fünfte Note, die Musik…
Katrina Wüst: Bei der Bewertung der Musik schauen wir wieder auf eine rein künstlerische Wertung. Aber nicht so subjektiv, wie manche meinen. Auf gar keinen Fall sollte der Richter sein Urteil auf seinen eigenen Geschmack stützen, es gibt auch Kriterien für die Beurteilung der Musik: Passt sie zu den Gangarten des Pferdes und reitet der Sportler exakt zur Musik oder ist er der Musik etwas voraus oder hinterher? Das sind die Grundvoraussetzungen. Wenn man in den höheren Tonbereich gehen will, kann es wirkungsvoll sein, wenn einzelne Bewegungen auch gekonnt mit Musik untermalt werden, die Pirouette mit Glöckchengeläut zum Beispiel. Schön ist es, wenn die Musik zur Ausstrahlung von Reiter und Pferd passt, also zum Beispiel ein erkennbarer Bezug zum Pferdenamen, Land oder ähnlichem besteht. Man denke an Nadine Capellmann, die ihren Elvis zu Elvis-Musik geritten hat. Oder die spanischen Reiter zu Kastagnetten. Aber eigentlich ist das Wichtigste, dass die Musik Emotionen weckt und die Kür für die Zuschauer … und Richter zu einem einmaligen Erlebnis macht.

Was würdest Du sagen: Ist das Bewerten im Freestyle, insbesondere auf sehr hohem Niveau, schwieriger als das Bewerten einer festgelegten Aufgabe?
Katrina Wüst: Kür-Wertung ist immer schwierig. Durch das System zur Berechnung des Schwierigkeitsgrades ist es viel einfacher geworden. Seitdem reichen die Reiter einen Grundriss ein und man hat schon alles vor sich, was der Reiter zeigen möchte. Das ist fair den Reitern gegenüber, denn der Grundriss spiegelt ihre Vorstellungen und versteckten Schwierigkeiten wider, die sonst sicher nicht alle in ihrer Gänze erkannt würden.

Eine letzte Frage: Das Finale des FEI Dressage World Cup™ wird zum ersten Mal in Saudi-Arabien ausgetragen, was halten Sie davon?
Katrina Wüst: Eine der ältesten Pferderassen der Welt, die Araber, stammen von der Arabischen Halbinsel. Bislang hat die Dressur dort keine große Rolle gespielt, aber Saudi-Arabien ist ein Land, das sich auch sportlich rasant entwickelt und über die nötigen Ressourcen verfügt, um ein großartiges FEI World Cup™ Finale zu veranstalten. Deshalb sehe ich darin eine große Chance für die Dressur in dieser Region.

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