Dressurreiterin Bernadette Brune ist zweifellos einer der Namen, die aus dem Jahr 2015 am deutlichsten in Erinnerung bleiben werden. Hatten die Reiterin vor einem Jahr auf Grand Prix Niveau der höchsten Klasse nur wenige auf dem Schirm, ist sie heute von Weltcup zu Weltcup, von Top-Turnier zu Top-Turnier unterwegs. Wie ihr all dies mit ihrem elfjährigen Hengst Spirit of the Age gelang, hat die ehemalige Springreiterin im Interview verraten und auch über ihr Leben zwischen Frankreich und Deutschland berichtet…

Mit ihrem Pferd Spirit of the Age haben Sie in diesem Jahr einen unglaublichen Sprung nach vorne gemacht. Wie haben Sie seine Entwicklung selbst erlebt?

Die Saison war für uns sensationell, wenn man das jetzt mit ein bisschen Abstand betrachtet. Nationenpreis Sieg, CDI 4* Grand Prix Sieg, zwei Weltcup Platzierungen, Platzierungen in Hagen, Hamburg, Wiesbaden, Rotterdam, Perl, Saumur und Stuttgart. Und eine silberne Ehrenmedaille von der FEI für unsere Leistungen in Nationenpreisen! Das ist schon der Wahnsinn. Wenn man im Feuer des Gefechts ist, sieht man es eigentlich anders. Man fühlt sich immer wie auf einer Achterbahn der Gefühle. Man plagt sich mit der Frage: Bin ich eigentlich gut genug, um hier zu sein? Aber das ermutigt immer, sich verbessern zu wollen. Wir haben noch viel zu lernen. Wir reiten zwar mit, aber haben noch lang nicht das Niveau von Kristina, Hubertus oder Isabel. Es wird noch ein langer Weg.

Was ist für Sie das Besondere an Spirit? Was sind seine Stärken und vielleicht auch Schwächen? Wie erleben Sie ihn im Stall? Hat er vielleicht auch seine Macken?

Spirit ist ein ganz besonderes Pferd, weil er nicht als Star geboren wurde. Als ich ihn achtjährig gekauft habe, hatte er recht normale Grundgangarten und nur eine L-Platzierung. Aber was ihn so besonders macht, ist diese Einstellung, immer alles richtig machen zu wollen! Er ist immer gut drauf und versucht immer sein Bestes zu geben. Wenn er in Frankreich im Stall ist, dann ist er wie ein Schulpferd. Er ist sehr brav, faul und bewegt sich recht normal. Kommt er auf ein Turnier, blüht er auf wie ein Drache – aber ein liebenswürdiger. Er ist hengstig, wild und sehr spektakulär. Aber immer noch schön und leicht zu reiten. Für Ihn war es dieses Jahr schwer mit so viel Publikum fertig zu werden. Da wird er sehr nervös. Auf den kleinen Turnieren, die wir vorher geritten haben, gibt es kein Publikum. Seine Macke: Wenn man ihn am Gurt kitzelt nach dem Aufstehen, singt er! Es ist zum Brüllen.

Sie sind mittlerweile ja im B2-Kader von Deutschland und bereits bei mehreren wichtigen Turnieren und Nationenpreisen am Start gewesen. Haben Sie mit diesem rasanten Aufstieg gerechnet?

Also ich muss ehrlich gestehen, dass ich letztes Jahr noch gar nicht wusste, was ein „Kader“ ist. Ich hatte mich mit dem Thema für meinen Junior Schüler befasst. Aber im Leben hätte ich nie daran gedacht, dass ich selbst mal in den deutschen Kader kommen würde! Und besonders nicht so schnell. Nationenpreise habe ich gerne geritten. Hätte aber auch nicht gedacht, dass wir die Serie gewinnen würden. Die Nominierung zum 5* Nationenpreis in Rotterdam war sehr überwältigend, aber dann noch 10. dort im Grand Prix zu sein, war toll. Mein Traum wäre mal in Aachen im Team zu reiten.

Mit Lights of Londonderry haben Sie soeben eine großartige Unterstützung für Spirit erworben. Konnten Sie sich mittlerweile bereits mit ihm anfreuden? Welche Stärken und Schwächen hat er?

Lights ist ein sehr gutes Pferd. Er hat mehr Potenzial als Spirit. Er hat eine sensationelle Piaffe und Passage. Leider war er am Anfang sehr speziell geritten. Ich musste ihm erstmal die Basis wieder beibringen. Ich habe sehr lang gebraucht bis er mich als Partner gesehen hat. Er war so lange unter dem gleichen Reiter. Aber mit einmal war sie da, die so genannte „Verbindung“. Jetzt haben wir richtig Spaß zusammen. Ich hoffe auf Turnier wird er auch sein ganzes Potential zeigen können. Bis jetzt haben wir einen nationalen Grand Prix schon gewinnen können. Mal sehen wie die nächste Saison wird.

Was macht für Sie die Faszination Pferd aus?

Das „niemals auslernen“. Man hat jeden Tag eine neue Aufgabe. Und irgendwann verschmilzt man mit dem Pferd. Das ist das Schönste!

Wie sah ihr Weg aufs Pferd aus? Haben Sie wie bei vielen anderen Reitern auch Ihre Eltern in jungen Jahren zum Pferd gebracht?

Mit drei Jahren hat mich mein Großvater, der auch ein großer Reiter war und das Goldene Reitabzeichen hatte, aufs Pferd gesetzt. Damals mussten wir jeden Donnerstag reiten. Entweder an der Longe mit Herrn Miedaner oder hinter der Kutsche von Opi angebunden mit dem Connemara Pony „Caspar“. Der Haken: es gab keinen Sattel. Für den guten Sitz gab es einen Voltigiergurt!

Meine Mutter ist Military geritten in ihren jungen Jahren. Mein Vater fand Pferde doof und teuer. Als meine Mutter damals nach Monaco gezogen ist, hat sie mir ein Schulpferd gekauft. Ich bin zwar mit dreizehn meine ersten Springturniere gegangen, aber in den richtigen Sport bin ich erst mit 21 gekommen. Auf Turniere haben mich meine Eltern nie begleitet.

Sie wurden in Deutschland geboren, sind aber in Frankreich aufgewachsen. Wie sah Ihr früher Werdegang aus?

Ich habe das Leben in Monaco gehasst. Ich hasse es heute nach 35 Jahren dort immer noch. Ich war ein Naturmensch, kein Schickimicki Kind. Mein Pferd war meine Zuflucht. Ich habe mit dreizehn mein erstes Springturnier bestritten und war dann auf L-Niveau sehr erfolgreich. Mit 17 habe ich auf der Trabrennbahn gearbeitet im Sommer (von 4 Uhr morgens bis 8 Uhr morgens und danach noch in einem normalen Stall!). Dort habe ich meinen Traber Amour Du Vicomte kennengelernt. Ich habe später mit ihm über 300 Springen gewonnen bis 1,45 Meter! Viele Springen gingen wir national in Frankreich, Belgien und Italien aber auch mal international. Ich bin mit ihm durch ganz Europa gereist (zwei FEI Pässe voll!) und war bei Trainern wie Eric Wauters, Gert Meier, oder Michel Robert. Amour Du Vicomte ist jetzt 28 und steht in Oldenburg im Gestüt. Ihm geht es bestens!

Lange Zeit waren Sie also Springreiterin. Dann ein Bandscheibenvorfall. War es hart für Sie, das Springen danach aufzugeben und in den Dressursattel zu steigen? Was ist für Sie das Besondere an der Dressur?

10 Jahre habe ich international Springen geritten. Aber meine Springpferde mussten auch alle Galopppirouetten, Zweiwechsel und Traversalen lernen (lacht). Dressur war immer meine große Passion. Aber ich dachte, ich sei nicht gut genug, um auf Turnier zu reiten. Allerdings musste ich bei Null anfangen. Nachdem man erfolgreich international geritten ist, ist das ganz schön hart, ein Anfänger zu sein. Was mir am meisten fehlt am Springen ist das „Gewinnen“! In der Dressur kann man sehr gut sein und von allen für einen zehnten Platz bejubelt werdenm, weil man ein gute Note hatte. Daran werde ich mich nie gewöhnen. Bei uns im Springen war es immer „der zweite Platz ist der erste Verlierer“. Aber ich liebe die Dressur weil ich das Ausbilden liebe. Eine gelungene Einerwechsellinie beim Training kann einem das gleiche Glücksgefühl geben, wie einen Großen Preis im Springen zu gewinnen.

Bis heute reiten Sie wegen des Bandscheibenvorfalles mit einem Handicap. Wie schaffen Sie es, dennoch ohne jede Einschränkung perfekt im Dressurviereck zu erscheinen und Ihre großen Leistungen zu bringen?

Naja, mein großes Handikap durch die (leider drei) Bandscheibenvorfälle ist mein Sitz. Ich kann nicht so stabil sitzen wie die anderen. Das sieht nicht sehr schön aus. Auch mein rechtes Bein ist halb gelähmt seit der OP. Ich muss mich halt doppelt auf die Balance konzentrieren. Meine Pferde habe ich so ausgebildet, dass sie sehr leichtrittig sind sonst würde es nicht gehen. Am manchen Tagen geht es mir schlechter. Das sieht man dann auch an meiner Leistung. Aber ich habe gute Physiotherapeuten und es wird immer besser!

Nach langen Jahren in Frankreich möchten Sie nun ins Oldenburgische ziehen. Wie kam es zu dieser Entscheidung? Ist es für Sie ein großer Schritt Frankreich hinter sich zu lassen?

In Frankreich ist es sehr schwer Familie und Turniere zu vereinen. Ich sehe meine Tochter sehr selten. In Deutschland ist die Schule um die Ecke und die Turniere nicht sehr weit. Da fiel die Entscheidung sehr leicht.

Sie haben immer wieder erwähnt, dass die Unterstützung des französischen Verbandes gen Null ging, obwohl Sie zahlreiche Turniere, u.a. die Junioren und Junge Reiter EM in diesem Jahr, auf Ihrer Anlage ausrichteten. Kam denn letztendlich wenigstens noch Dank der Franzosen, was Sie dort geleistet haben?

Frankreich hat mich sehr enttäuscht. Ich bin dort aufgewachsen und wollte für mein Land des Herzens viel für die Reiterei machen – was ich auch getan habe. Ich habe viele internationale Spring und Dressurturniere bis 5* organisiert, habe die Französische und Europameisterschaften organisiert. Nationenpreise und und und… Nicht eine Unterstützung, nicht einen Pfennig haben wir für die Europameisterschaft bekommen! Als wir aktiv waren, kamen die besten Dressurreiter aus Südfrankreich. Ich habe sogar Jean Bemelmans dazu motiviert Frankreich zu trainieren. Aber ich war ewig die Ausländerin. Und jetzt sind sie traurig, dass ich nicht für Frankreich reite!

Sind Sie nun schon in Niedersachsen angekommen? Haben Sie sich in Ihrer neuen Heimat bereits eingelebt? Wie müssen wir uns die Anlage dort vorstellen? Welche Dimensionen hat sie? Wie sehen Ihre Pläne dort aus?

Leider bin ich noch nicht in Niedersachsen angekommen. Wir haben lediglich eine Scheune umgebaut zu einem Stutenstall für unsere Zuchtstuten. Die Sportanlage muss noch gebaut werden. Wir sind aber fast fertig mit der Planung. Die Baugenehmigung haben wir auch. Die Idee ist eine High Quality Zucht und Ausbildungsstätte zu machen. Wir wollen Stars züchten aber sie dann auch bis in den Sport begleiten. Alles soll unter einem Dach sein. In der Anlage wird es ein extra Anreithalle geben und einen Aquatrainer. Auch eine Rennbahn ist geplant sowie Allwetter-Weiden mit Weidehütten, damit die Pferde das ganze Jahr raus können. Es wird Platz für 60 Pferde geben (Zuchtstuten, Jungtiere und Sportpferde). Dort wohnen werde ich erst können, wenn die Anlage fertig wird. Das wird Ende 2016 der Fall sein. Es heißt also noch ein ganzes Jahr warten.

Was wird es mit Ihrer Anlage in Vidauban passieren?

Das Herz der Anlage (der Luxusstall) bleibt ganz normal in Betrieb und bietet uns die Möglichkeit, im Winter unter schönster Sonne zu trainieren. Die Turnieranlage (3 große Reitplätze) sowie der Stall daneben (65 Boxen, 60 x 50 Reitplatz, 700 Meter Rennbahn und 30 Paddocks und eine kleine Villa) stehen zum Verkauf. Damit ein Turnierorganisator die Möglichkeit hat, einen normalen Reitbetrieb zu führen und Turniere organisieren kann.

Sie sind ja nicht nur Reiterin und Ausbilderin, sondern auch Züchterin und vertreiben sogar eigene Pflegeprodukte rund ums Pferd. Werden Sie all diese Dinge auch in Zukunft weiterhin machen? Sie scheinen ja geradezu vor Elan und Zielstrebigkeit zu sprühen…

Ich habe in den letzten Jahren gelernt, dass Elan toll ist, aber leider es besser ist sich auf wichtige Dinge zu konzentrieren! Dies ist im Moment der Dressursport auf höchstem Niveau. Die Zucht läuft auch sehr gut. Und das ist die Zukunft. Die Produkte laufen sehr gut, aber wir haben den Markt auf Frankreich reduziert. Leider kann ich nicht alles machen.

Wie sieht ein ganz typischer Tag in Ihrem Leben aus?

Das kommt drauf an, wo ich gerade bin! Meisten kümmere ich mich morgens erst um die Familie. Dann reite ich 4 bis 6 Pferde. Danach gehe ich ins Büro und kümmere mich um die Geschäfte. Abends ist Family-Time. Und wenn alle schlafen, arbeite ich am Computer bis spät in die Nacht. Wenn ich nach Deutschland komme, fahre ich zusätzlich noch durch die Gegend, um meine Pferde bei den verschiedenen Bereitern anzuschauen. Bald sollten alle Pferde bei uns auf Gestüt Brune sein, damit ich nicht mehr so viel umherfahren muss. Oder ich suche Pferde für Kunden oder gebe Unterricht und bin beim Training. Einen freien Tag habe ich selten. Nur der Dezember Monat ist etwas ruhiger.

Was machen Sie gern (mit Ihrer Familie), wenn Sie mal nicht im Sattel sitzen?

Einfach gemütliche Zeit mit ihnen zu verbringen.

Sie sind ja bekennender Totilas Fan und haben auch einen Nachkommen bei Ihnen im Stall. Macht dieses Pferd seinem Vater alle Ehre?

Meine Totilas Nachkommen sind für mich etwas Besonderes, aber nicht so wie die meisten denken oder erwarten. Sie sind nicht spektakulär oder wahnsinnig gut in der Qualität. Aber sie sind toll zu arbeiten. Sie lernen sehr schnell und haben die Ruhe weg, wenn viel Publikum vorhanden ist. Ich glaube, man wird erst die Qualität von Totilas als Vererber sehen, wenn mehr und mehr im Grand Prix laufen. Totilas war von Haus aus kein besonders spektakuläres Pferd. Er wurde gemacht. Alle träumen davon, dass alle anderen auch so strampeln. Ich komme ins Träumen, wenn meine drei Jähriger Totilas-De Niro in der Arbeit ab und zu anfängt zu piaffieren oder passagieren, wenn ich aus Versehen an die Kruppe komme!

Sie haben ja bestimmt auch das tragische Aus vom Team Rath/Totilas bei der EM mitbekommen. Tut Ihnen dieses Ende eines Traumpferdes wie vielen anderen in der Seele weh?

Sie sind es einfach falsch angegangen! Sie hätten bei so einem Preis Edward Gal als Trainer mitkaufen sollen! Schade!

Haben Sie eine spezielle Lebensphilosophie?

„Perfekt ist nicht gut genug!“

Haben Sie einen Wunsch, den Sie sich unbedingt nochmal erfüllen möchten?

Ich habe viele Träume, aber eigentlich ist mein größter Wunsch, dass die Welt ein bisschen besser wird für unsere Kinder.

Interview: Alexandra Koch