Fälle von Doping und unerlaubter Medikation im Spitzensport sorgen immer mal wieder für Negativschlagzeilen in der Presse und werfen ein schlechtes Licht auf den Pferdesport. Dabei sind es immer wieder auch Unkenntnis und fehlende Sensibilität fürs Thema, die zum positiven Befund führen. So können bereits kleine Mengen von Substanzen in vermeintlich harmlosem Pferdefutter oder mangelnde Hygiene im Stall zum Fallstrick werden. Auch ist das Risiko unbewussten Dopings nicht nur ein Thema für den Spitzensport, sondern betrifft jeden Pferdesportler, der mit seinem Pferd an Wettkämpfen teilnimmt.
Doping stellt eine Gefahr für Mensch und Tier dar und verschafft zudem einen unfairen Wettbewerbsvorteil. Zahlreiche Organisationen setzen sich seit Jahren für einen sauberen und fairen Sport ein und sagen Doping den Kampf an. Im Pferdesport gibt es die Anti-Doping- und Medikamentenkontroll- Regeln (ADMR) der Deutschen Reiterlichen Vereinigung (FN), die als Teil der Leistungs-Prüfungs-Ordnung (LPO) in Deutschland die Spielregeln zum Umgang mit Substanzen, Behandlungsmethoden, Nachweis- und Untersuchungsverfahren und mögliche Konsequenzen bei positiven Befu nden vorgeben. Diese Bestimmungen beruhen auf dem Tierschutzgesetz und beziehen neben im Wettkampf verbotenen Dopingsubstanzen und im Wettkampf verbotener unerlaubter Medikation auch Dopingsubstanzen ein, die bereits im Training verboten sind, also niemals zur Anwendung kommen dürfen. Auf internationaler Ebene werden im Pferdesport nach dem Regelwerk des Weltreiterverbands FEI auf der Equine Prohibited Substances List (EPSL) Substanzen und Methoden gelistet, die bei internationalen Wettkämpfen verboten sind oder deren Einsatz an ganz bestimmte Kriterien geknüpft ist. Auch die FEI unterscheidet zwischen Substanzen, die im Wettkampf verboten sind, jedoch außerhalb des Wettkampfes therapeutisch zum Einsatz kommen können und Substanzen, die beim Sportpferd nie angewendet werden dürfen (sog. „Banned substances“). Hinsichtlich der Einstufungen von FN und FEI ergeben sich in einigen Bereichen allerdings Unterschiede, weshalb im Nachfolgenden vor allem auf die in Deutschland geltenden Maßgaben geschaut wird.
Doping oder Medikation?
Was im Volksmund oft unter dem Begriff „Doping“ unsachlich zusammengeworfen wird, ist in den ADMR in drei Listen mit unterschiedlicher Klassifikation unterteilt: Liste 1 umfasst Dopingsubstanzen und Methoden, die im Wettkampf verboten sind, Liste 2 umfasst unerlaubte Medikation, die im Wettkampf verboten ist und Liste 3 listet die sowohl im Wettkampf als auch im Training verbotenen Dopingsubstanzen und Methoden auf. „Die Unterscheidung zwischen Doping und unerlaubter Medikation ist dahingehend wichtig, weil die Sanktionen und Konsequenzen jeweils andere sein können“, erklärt der Tierarzt Dr. Michael Mäule, der sowohl im Auftrag der FN Wettkampfproben als auch im Vorfeld von Championaten Pre-Proben der nominierten Pferde im Heimatstall durchführt und darüber hinaus für die FEI als Testing-Veterinär unterwegs ist. Beim klassischen Doping soll die Leistungsfähigkeit eines gesunden Pferdes verbessert werden, Substanzen werden missbräuchlich eingesetzt. Bei einer unerlaubten Medikation liegt als Ausgangspunkt eine vorherige Leistungsverminderung durch Krankheit vor. Hier wird im Allgemeinen unterstellt, dass die verwendeten Substanzen inerster Linie zur Behandlung der Erkrankung eingesetzt wurden, also mit guter Absicht. Auch die Liste der Dopingsubstanzen (Liste 1), die im Wettkampf verboten sind, umfasst Wirkstoffe von Medikamenten, die der Tierarzt bei bestimmten Krankheitsbildern einsetzt oder die zur Sedation des Pferdes für tierärztliche Maßnahmen benötigt werden. Diesen wird jedoch ein erhöhtes Missbrauchspotential zugeschrieben, weshalb sie in der Dopingliste und nicht in der Kategorie „unerlaubte Medikation“ geführt werden.
Unbewusstes Doping
Ziel von Doping ist es, die Leistungsfähigkeit des Pferdes zu manipulieren, entweder, um diese zu erhöhen oder herabzusetzen (negatives Doping). Neben dem bewussten Doping gibt es immer mal wieder auch Fälle von unbewusstem Doping, also die versehentliche Gabe verbotener Substanzen. „Ursachen hierfür können sowohl in der Fütterung des Pferdes liegen als auch in mangelnder Stallhygiene sowie fehlerhaftem Stallmanagement. Gerade Unkenntnis und mangelnde Sensibilität für Dopingprävention sind erhebliche Risikofaktoren. Diese entbinden den Reiter jedoch niemals von seiner Verantwortung. Man könnte auch sagen, wer sich nicht mit dem Thema beschäftigt, handelt grob fahrlässig“, sagt Dr. Henrike Lagershausen, Leiterin der FN-Abteilung Veterinärmedizin und Tierschutz.
Ist das Futter ADMR-konform?
Die Pferdefütterung ist ein wichtiger Grundpfeiler der Gesunderhaltung des Pferdes. Das Angebot an verschiedensten Futterkomponenten und Supplementen ist groß. So kommt es nicht selten vor, dass Pferdehalter unbedacht zu Ergänzungsfuttermitteln greifen, ohne deren einzelne Komponenten und Inhaltsstoffe im Detail zu kennen. Das kann nicht nur für die Pferdegesundheit von Nachteil sein, sondern ist auch im Hinblick auf die ADMR-Konformität problematisch. „Nervösen Pferden wird gerne Ergänzungsfutter mit Magnesium gegeben, oftmals enthalten diese aber zusätzlich auch L-Tryptophan, was in Futtermitteln nur mit einem Gehalt bis 0,5 Prozent ADMR-konform ist“, so Dr. Mäule. „Mitunter können verbotene Substanzen auch in wohlklingenden Wirkstoffkomplexen versteckt sein. Eine ganz genaue Kontrolle der Inhaltsstoffe und im Zweifelsfall auch eine Nachfrage sowohl
beim Hersteller des Produktes als auch bei der FN ist deshalb anzuraten“, ergänzt der Tierarzt. Ein weiteres Problem stellen Kontaminationen von Futtermitteln und Supplementen dar. Futtermittelkontaminanten können bereits bei der Ernte in die Rohstoffe gelangen über Pflanzen, die am Rand eines Futterpflanzenfeldes oder sogar darin wachsen und verbotene Substanzen enthalten (z.B. Morphin aus dem Schlafmohn). Darüber hinaus kann es auch im Herstellungsprozess versehentlich zu Kontaminationen kommen. „Bei der Auswahl der Futtermittel sollte deshalb darauf geachtet werden, renommierte Pferdefutterhersteller mit einem guten Qualitätsmanagement auszuwählen. Idealerweise werden sowohl die Rohstoffe als auch die fertigen Produkte chargenweise auf die typischen Futtermittelkontaminanten wie zum Beispiel Morphin, Coffein, Theobromin untersucht“, rät Dr. Lagershausen.
Pflanzlich, aber wirkungsvoll
Auch beim Einsatz pflanzlicher Produkte ist Vorsicht geboten. Die Beschreibung „rein pflanzlich“ sagt nichts über die ADMR-Konformität eines Produktes aus. „Es wird oft vergessen, dass viele pflanzliche bzw. natürliche Substanzen die Grundlage für Medikamente bilden. Sobald eine Substanz eine therapeutische Wirkung hat oder haben soll, ist sie ADMR-relevant und sollte überprüft werden – dazu zählen übrigens auch Homöopathika“, erklärt Dr. Mäule, der sowohl nationale als auch internationale Turniere betreut. Das im Wettkampf und im Training verbotene Capsaicin, Hauptbestandteil von Chilischoten und verantwortlich für deren Schärfe, bildet zum Beispiel die Grundlage für etliche Schmerzsalben. Beim Auftragen auf die Haut wird dieser Stoff physikalisch wirksam und erzeugt starke Hitze. „Zudem ist Capsaicin oftmals in Pasten enthalten, die zum Beispiel auf Ausrüstung, Zaunpfähle oder anderes Material aufgetragen wird, um ein Anfressen durch das Pferd zu verhindern. Durch die Berührung mit dem Maul kontaminiert sich das Pferd und kann im Rahmen einer Medikationskontrolle positiv getestet werden“, sagt Dr. Lagershausen. „Solche Pasten gehören nicht in einen Sportpferdestall“, findet auch Dr. Mäule. Hinzu kommt, dass in einigen Fällen die Inhaltsstoffe nicht oder nur indirekt deklariert sind – sie heißen dann zum Beispiel „Pfefferextrakt“ oder „Chiliextrakt“. Hier ist größte Vorsicht geboten. Auch Kräuter, die sich positiv auf die Verdauung oder den Atemwegsapparat auswirken, sind oftmals ADMR-relevant und unterliegen einer Karenzzeit. Dazu zählen zum Beispiel Fenchel, Spitzwegerich und Kamille. „In Futtermitteln gilt bei solchen Kräutern in vielen Fällen ein Grenzwert von 0,5 Prozent für das jeweilige Kraut und maximal drei Prozent Kräuter dürfen insgesamt enthalten sein. Es gibt aber auch zahlreiche Ausnahmen wie Teufelskralle, die grundlegend nicht ADMR-konform ist und sogar eine Karenzzeit von vier Tagen hat“, erklärt Dr. Mäule.
Überlegt handeln
Das große Angebot auf dem Futtermittelmarkt kann bei wohlüberlegtem Einsatz zwar auf der einen Seite die Gesunderhaltung des Pferdes unterstützen, auf der anderen Seite verlieren Pferdehalter und Reiter aber schlichtweg leichter den Überblick über die Stoffe, die das Pferd tatsächlich zu sich nimmt. Hinzu kommen weitere Risikofaktoren wie mangelnde Stallhygiene während und nach einer abgeschlossenen Behandlung. „Deshalb ist es auch
wichtig, dass nicht nur Turnierteilnehmer für dieses Thema sensibilisiert werden, sondern im besten Fall alle Personen, die in einem Stall agieren, um einfach mehr Bewusstsein dafür zu schaffen. Unterm Strich kann es immer passieren, dass ein Pferd versehentlich in eine falsche Box gestellt wird und nun das mit Medikamenten angereicherte Futter eines anderen Pferdes aufnimmt. Es kann auch schon genügen, wenn die Box, der Futtertrog und die Tränke nach einer Behandlung nicht gründlich gereinigt wurden. Der Pferdesportler ist selbst in der Verantwortung und muss die Risiken für eine versehentliche Aufnahme verbotener Substanzen aktiv minimieren. Aufklärung ist einfach unglaublich wichtig!“, appelliert der Tierarzt.
Karenzzeiten
Futtermittelhersteller unterliegen keiner Pflicht, eine Karenzzeit anzugeben bzw. auf ADMR-Konformität hinzuweisen. Letztlich ist nur der Reiter, Fahrer bzw. Longenführer in der Pflicht, auf die ADMR zu achten und diese einzuhalten. „Ich denke, oftmals handeln die Reiter gar nicht mutwillig. Es steht für Berufsreiter einfach zu viel auf dem Spiel und Freizeitreiter sind sich in den meisten Fällen wohl gar nicht im Klaren darüber, welche Substanzen bereits relevant sind. Verantwortlich sind sie dennoch“, sagt Dr. Mäule. Auch angegebene Karenzzeiten der FN schützen nicht zu 100 Prozent. Sie beinhalten aber bereits einen Sicherheitsaufschlag. „Ich kann nur jedem raten, zur Aufklärung rund um das Thema beizutragen und es ruhig auch mal in der Stallgemeinschaft zu besprechen. Nur gemeinsam können wir für einen sauberen, fairen Sport sorgen. Denn eines ist klar, jeder Positivfall ist einer zu viel und schadet auch dem Ansehen des Pferdesports“, appelliert Dr. Lagershausen.
Text: Lorella Joschko
Mit freundlicher Genehmigung entnommen aus dem PM-Forum, dem Mitgliedermagazin der Persönlichen Mitglieder der FN. Mehr Informationen zur Persönlichen Mitgliedschaft gibt es unter www.fn-pm.de.
ADMR-Suchmaschine
Über die ADMR-Suchmaschine auf der FN-Webseite und in der FN-App können knapp über 900 Substanzen auf ihre ADMR-Konformität überprüft werden. Dadurch ist es jedem Pferdehalter selbst möglich, Ergänzungsfutter und Supplemente anhand ihrer Inhaltsstoffe zu überprüfen. Ein ADMR-Konflikt besteht bereits dann, wenn lediglich eine einzige Substanz eines zusammengesetzten Futtermittels nicht ADMRkonform ist. Auch etliche Kräuter und pflanzliche Produkte sind ADMR-relevant. Es wird zwischen zwei Einstufungen unterschieden:
- ADMR-konform: Substanz ist im Wettkampf erlaubt
- ADMR-Konflikt: Substanz ist im Wettkampf verboten
Ist eine Substanz in der Suchmaschine nicht zu finden, bedeutet das NICHT automatisch,
dass diese erlaubt ist!
Nachweiszeit: Gibt an, wie lange bestimmte Substanzen in bestimmten Dosierungen und nach bestimmten Gaben bei einer geringen Anzahl (i.d.R. sechs) untersuchter Pferde nachweisbar waren. Diese Untersuchungen sind mit großem Forschungsaufwand und dadurch hohen Kosten (30.000 bis 50.000 Euro je Substanz) verbunden. Daher liegen Nachweiszeiten bisher in erster Linie für Substanzen vor, die häufig in der Pferdemedizin eingesetzt werden.
Karenzzeit: Die Art und Weise, wie Nachweiszeiten ermittelt werden, bedeutet, dass sie nicht auf jedes Pferd übertragbar sind. Darüber hinaus sind Faktoren wie die Wirkung der Substanz, ihre Dosierung, die Häufigkeit der Gabe sowie insbesondere die Erkrankung des Pferdes zu berücksichtigen. Daher ergibt sich die Notwendigkeit, die Nachweiszeit mit einem zeitlichen Sicherheitszuschlag zu versehen. Diese Zeit, von der Gabe der Substanz bis zum Einsatz auf dem Turnier, nennt man Karenzzeit. Karenzzeiten lassen sich einerseits von Nachweiszeiten statistisch abgesichert ableiten oder sie beruhen auf pharmakologischen und veterinärmedizinischen Erkenntnissen. Die von der FN veröffentlichten Karenzzeiten sind als Empfehlung zu verstehen. Sie beinhalten großzügig angesetzte Sicherheitsaufschläge. Sie sind im Einzelfall jedoch keine absolute Garantie dafür, dass bei Berücksichtigung der Karenzzeit ein positives Ergebnis bei einer Medikationskontrolle verhindert wird. In der Biologie und der Medizin gibt es keine 100-prozentige Sicherheit. Daher beinhaltet auch die empfohlene Karenzzeit ein Restrisiko.
Übrigens: Die FEI gibt in ihrer Suchmaschine lediglich Hinweise zu ungefähren Nachweiszeiten (detection times) von Wirkstoffen an. Um zu einer adäquaten Karenzzeit zu gelangen, muss der Nachweiszeit noch ein Sicherheitsaufschlag hinzugefügt werden. Es ist wichtig, diesen Unterschied zwischen einer Karenzzeit und einer Nachweiszeit zu kennen!
Probenentnahme
Die Probenentnahme im Rahmen eines Wettkampfs beginnt im Allgemeinen mit dem Ansprechen des Reiters/Fahrers/Longenführers. Anhand der Starterlisten wird bei Zufallsproben das Pferd ausgewählt, das beprobt werden soll. Dabei soll der Verlauf der Prüfung nicht gestört werden. Nach Ansprache des Reiters wird das Pferd zur ausgewiesenen Medikationskontrollbox begleitet. Ab diesem Moment darf es nicht mehr unbeaufsichtigt sein, natürlich aber versorgt werden. Es darf abgesattelt, eingedeckt und abgespritzt, sollte aber nicht gefüttert werden. Im Rahmen der Probenentnahme wird die Identität des Pferdes mittels Mikrochiplesegerät und/oder Abgleich der Abzeichen im Equidenpass überprüft. Das Probenentnahmeset wird vor den Augen des Reiters geöffnet. Bevorzugt wird bei allen Probenentnahmen die Urinprobe, auf die mindestens 30 Minuten gewartet werden muss. Nur wenn das Pferd auch nach diesem Zeitraum keinen Urin absetzt, wird Blut entnommen. „Die Annahme, dass im Urin mehr Substanzen gefunden werden können als im Blut, ist mittlerweile übrigens veraltet“, weiß Dr. Henrike Lagershausen. Im Anschluss werden die Probengefäße versiegelt und das Protokoll zur Entnahme ausgefüllt. Im letzten Schritt wird die Probe an ein akkreditiertes Labor versendet. Die Analyse dauert ca. vier bis sechs Wochen.