„Abgesattelt“, so lautet die Überschrift der Traueranzeige der Familie von Loeper, deren Senior am 1. Mai verstorben ist. Auf den ersten Blick wirkt diese Überschrift ungewöhnlich, doch zum einen steht sie im Zusammenhang mit dem außergewöhnlichen Reiterleben von Hans-Heinrich von Loeper und zum anderen spiegelt sie den Sinn des Verstorbenen für Humor und Ironie wider. Dieser ritt seit frühester Kindheit und bis jenseits seines 90. Geburtstages. Im Galopprennsport war er seit seinem 13. Lebensjahr aktiv und gewann später eine Anzahl von Flach- und Hindernisrennen. Herausragende Verdienste erwarb er sich jedoch ab Ende der 60er Jahre in den Diensten des Direktoriums für Vollblutzucht und Rennen, dessen Generalsekretär er von 1974 bis Ende 1991 wurde.
Als höchster angestellter Funktionär führte er den Galopprennsport mit der nicht von jedem geteilten Einstellung, es handle sich dabei um ein ganzheitliches Unternehmen. Er erwartete Gefolgschaft und Einigkeit, auf der anderen Seite fühlte er sich auch für alles, was in der Vollblutwelt geschah, zumindest mitverantwortlich. Dies zusammen mit seinem starken Gestaltungsdrang, seinem Durchsetzungsvermögen, seinem weiten Horizont und seinen ungewöhnlich ausgeprägten Fähigkeiten als Netzwerker ließen ihn zu einer wahren Ikone des Mikrokosmos namens Vollblut werden.
In seiner Haupt-Wirkungszeit, den 70er und 80er Jahren, in denen der Rennsport international einem sehr starken Wandel unterzogen war, erwies er sich als Architekt eines modernen Galoppsports in Deutschland. In seine Amtszeit fielen die lange erkämpfte volle Anerkennung des Allgemeinen Deutschen Gestütbuchs und die schrittweise Abkehr von der Isolation des Vollbluts made in Germany. Nachteile für ausländische Starter wurden abgeschafft, Deutschland trat fast zum frühestmöglichen Zeitpunkt dem System der Grupperennen bei, ebenso der Internationalen Vereinigung der Rennsportverbände sowie derjenigen der Gestütbücher. Es folgten die internationale Öffnung der Grupperennen sowie die Finanzierung und Einführung des elektronischen Totalisators. Unter seiner Führung wurde die Rennordnung von Grund auf überarbeitet und das gesamte Funktionärswesen und die Renngerichtsbarkeit einschließlich der Dopingbekämpfung modernisiert. Damit verschaffte er dem deutschen Dachverband zu hoher internationaler Anerkennung. Er gehörte zu den Vätern der Wette RennQuintett und der Förderung der NRW-Rennvereine aus Mitteln des „Spiels 77“. Ebenso verstärkte er mit großen Schritten die Öffentlichkeitsarbeit des Rennsports. An der großen Aufwärtsentwicklung des Vollblutsports in dieser Zeit hatte er mit all dem einen großen Anteil.
An seine Mitarbeiter stellte er sehr hohe Anforderungen, war sich seiner eigenen Vorbildfunktion im Hinblick auf Präzision und Fleiß aber bewusst. Nach dem Ende der deutschen Teilung war es seine Ambition, die Wiedervereinigung von Rennsport und Zucht von West und Ost trotz aller Schwierigkeiten noch schneller voranzutreiben, als sie sich im politischen Bereich entwickelte. Dieses Ziel wurde erreicht: Schon bei der allerersten Gelegenheit, am 31. März 1990, fand der Erste deutsch-deutsche Gemeinschaftsrenntag in Hoppegarten statt – ein denkwürdiges und unvergessliches Ereignis. Auch die Vereinigung der beiden Gestütbücher erfolgte zügig. Nach seiner Pensionierung 1992 engagierte von Loeper sich noch für einige Jahre als Ostbeauftragter des Verbandes. Dazu gehörte sein passionierter Einsatz für den Neubeginn der Rennen auf Deutschlands ältester Rennbahn in Bad Doberan.
Bei alledem erntete der Verstorbene, gerade wegen seiner stets druckvollen, ungeduldigen Vorwärtsstrategie und seiner fordernden Art nicht nur Beifall, doch ging er selten einer Kontroverse aus dem Weg. In vielfacher Hinsicht, auch mit seinem Corpsgeist, setzte er Maßstäbe. Vollblutzucht und Galopprennsport in Deutschland sowie weit darüber hinaus werden seine Lebensleistung wie auch seinen individuellen Stil in dankbarer Erinnerung behalten.
AUTOR: Peter Brauer