Die im vergangenen Jahr gegründete Vereinigung Deutscher Tierhalter (VDTH) hatte
sich in den letzten Monaten für eine Online-Petition eingesetzt, die eine möglichst rasche
Überarbeitung der seit November 2022 geltenden Gebührenordnung für Tierärzte
(GOT) erreichen sollte. Was daraus geworden ist, beantwortet Sabine Reimers-
Mortensen, erste Vorsitzende der VDTH, in einem Interview.
Frage: Parallel zu den Aktivitäten der Deutschen Reiterlichen Vereinigung (FN) in Sachen
GOT hatte die VDTH eine Petition an den Deutschen Bundestag zwecks Überarbeitung der
GOT gestartet. Was ist daraus geworden?
Sabine Reimers-Mortensen: Petitionen an den Deutschen Bundestag haben eine deutlich
kürzere Zeichnungsfrist und die Mitzeichnung ist deutlich benutzerunfreundlicher als bei
anderen Petitionsplattformen. Trotzdem wurde die Petition der VDTH von ca. 36.000
Menschen mitgezeichnet. Leider hat unsere Petition das damals noch verlangte Quorum von
50.000 Mitzeichnungen als Voraussetzung für eine mündliche Anhörung verfehlt. Der
Petitionsausschuss muss sich unabhängig davon aber mit der Petition auseinandersetzen.
Allerdings haben wir bis heute keine Stellungnahme erhalten.
Frage: Im Vorfeld der Petition der VDTH gab es einige Merkwürdigkeiten. Was war da
geschehen?
Sabine Reimers-Mortensen: Die Petition wurde aus fadenscheinigen Gründen erst fünf
Wochen später als geplant veröffentlicht und konnte deshalb nicht parallel zur Petition der FN
beworben werden. Als sie am 8. Januar 2024 endlich ohne Vorankündigung online gestellt
war, mussten wir feststellen, dass der Ausschussdienst des Bundestages die Überschrift und
die Forderungen unserer Petition ohne Rücksprache mit uns abgeändert hatte. Es war der
Wortlaut eines Antrags der AfD an den Deutschen Bundestag übernommen worden, nämlich
die Forderung nach einer sofortigen Rücknahme der GOT. Wir haben selbstverständlich eine
sofortige Korrektur verlangt und letztendlich auch durchgesetzt.
Frage: Was passierte nach Ende der Petition der VDTH?
Sabine Reimers-Mortensen: Wir hatten Kenntnis davon, dass der Petitionsausschuss eine
Herabsenkung des Quorums und Verlängerung der Zeichnungsfrist in Planung hatte. Wir
haben deshalb die Bitte vorgetragen, trotz Nichterreichen des Quorums mit unserem Anliegen
mündlich angehört zu werden. Nachdem uns mehrere Fraktionen ihre Unterstützung zugesagt
hatten, kam der Petitionsausschuss unserer Bitte letztlich aus prinzipiellen Beweggründen
nicht nach und lehnte eine mündliche Anhörung ab. Am 26. Juni 2024 erfolgte dann die
offizielle Ankündigung, dass das Quorum auf 30.000 Mitzeichnungen gesenkt und die
Mitzeichnungsfrist auf 6 Wochen verlängert wurde.
Frage: Mittlerweile ist das Thema GOT auch für die Versicherungskonzerne, die
Tierkrankenversicherungen oder OP-Versicherungen anbieten, zu einem Hot-Spot geworden.
Welche Erkenntnisse haben die Versicherungen nach anderthalb Jahren neuer GOT
gewonnen?
Sabine Reimers-Mortensen: Die Versicherungen berichten von Rechnungen, die teilweise
schwindelerregende Rechnungsbeträge ausweisen. Rechnungen werden zum Teil unabhängig
vom entstandenen Aufwand offensichtlich so gestellt, dass die Möglichkeiten der bestehenden
Versicherungspolicen maximal ausgeschöpft werden. Sie beklagen, dass fehlende Regeln zur
Anwendung der GOT, sowohl hinsichtlich der Nutzung der Gebührenziffern als auch der
Steigerung der Gebührensätze, eine effektive Rechnungskontrolle unmöglich machen. Dabei
könnten solche Regeln von den Tierärztekammern durchaus aufgestellt werden.
Interessanterweise stellt der Präsident der Bundestierärztekammer (BTK), Dr. Holger Vogel,
in einem Beitrag auf der Internetseite der Gesellschaft für Pferdemedizin fest, dass
„“optimierte“ Rechnungen bei den Versicherungen eingereicht werden, die zwar GOT-
konform sind, aber teilweise ein Mehrfaches über Abrechnungen für vergleichbare
Behandlungen bei nicht versicherten Tieren liegen“. Damit bestätigt Dr. Vogel unsere Kritik
an der GOT und räumt ein, dass sie in keiner Weise geeignet ist, eine finanzielle
Übervorteilung der Tierhalter zu verhindern.
Frage: Wie soll es jetzt weitergehen?
Sabine Reimers-Mortensen: Leider sind unsere Versuche, auf die Politik auf Bundes- und
Landesebene einzuwirken, wegen der Ignoranz der zuständigen Stellen bisher weitgehend ins
Leere gelaufen. Allerdings gibt es einzelne Bundesländer, die die Problematik durchaus
erkannt haben. Unsere umfassenden Recherchen belegen, dass eine wissenschaftliche
Neubemessung der Gebührensätze nicht stattgefunden hat. Weder dem zuständigen
Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL) noch dem für die Studie
verantwortlichen Bundesamt für Landwirtschaft und Ernährung liegen detaillierte und
nachvollziehbare Berechnungsgrundlagen für die teilweise um mehrere hundert Prozent
angehobenen Gebührensätze vor. Damit genügen die Gebührenbemessungen noch nicht
einmal den Standards, denen sich die Bundes- und Landesbehörden bei der Festsetzung ihrer
eigenen Gebühren unterwerfen müssen. Wir sind deshalb zu der Auffassung gekommen, dass
es nunmehr an der Zeit ist, bestehende juristische Möglichkeiten in vollem Umfang
auszuschöpfen. Hier geht es neben der Herbeiführung von inzidenten
Normenkontrollverfahren durch die Erzwingung gerichtlicher Auseinandersetzungen mit
einzelnen Gebührenrechnungen auch um Verstöße gegen das Wettbewerbsrecht und gegen
die europäische Dienstleistungsrichtlinie.
Frage: Wenn sich die Politik um dieses Thema nicht kümmert, was kann der einzelne
Tierhalter machen?
Sabine Reimers-Mortensen: Auslegungen der GOT erfolgen derzeit nur als sogenannte
„Auslegungshilfen“ der Bundestierärztekammer unter Hinzuziehung von Berufsverbänden der
Tierärzte. Um wie von der Ermächtigungsgrundlage gefordert die Interessen der Tierhalter zu
berücksichtigen, müssten wie in der Humanmedizin auch deren Vertretungen beteiligt
werden. Die einseitigen „Auslegungshilfen“ bleiben Gegenstand einer gerichtlichen
Überprüfung. Tierhalter können gegenüber Tierärzten durchaus abweichende Auslegungen
vorbringen und auf dieser Grundlage Rechnungen kürzen. Es bleibt dann den Tierärzten
überlassen, ihre Forderung gerichtlich durchzusetzen. Speziell zum Thema
„Hausbesuchsgebühr“ für Pferde werden wir den Pferdehaltern in Kürze die Ergebnisse
unserer Recherchen zur Verfügung stellen und ihnen Handlungsoptionen aufzeigen.
Bildquellen
- Logo VDTH: VDTH